Wer lässt die „Rennkuh“ wieder fliegen?

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Die Boxermanufaktur sucht einen Nachfolger

Wer lässt die „Rennkuh“ wieder fliegen?


Michael Welschs BMW Boxer-Umbauten haben in gut eineinhalb Jahrzehnten rund 150 Fans in vielen Ländern Europas begeistert. Kein Wunder. Denn in seiner Boxermanufaktur in Wörth am Main machte er den Bayern Beine, schöne und starke. Angesichts der edlen Optik und zahlreicher Leistungssteigerungs- und Leichtbaumaßnahmen wirkt der Markenname „Rennkuh“ reichlich ironisch – und absolut treffend. Doch der Rennkuh-Züchter starb Ende 2019 bei einem tragischen Motorradunfall auf Sardinien. Jetzt soll für die Marke ein Nachfolger gefunden werden.

Der 17. November 2019 war ein regnerischer Tag, irgendwo auf der Strecke zwischen Scalepanu und Perdasdefogu. Wie schon in den Vorjahren war Michael Welsch mit seinen Kunden auf dem Bike unterwegs, auf einer der kurvenreichsten Strecken der Trauminsel Sardinien, als er in einer nassen Kurve plötzlich den Grip verlor und sich schwer verletzte. Am 1. Dezember starb er im Krankenhaus von Lanusei.

Auch wenn das angesichts seines tödlichen Unfalls makaber klingen mag:

Motorräder (und vorher Autos) waren Michael Welschs Leben. Er wuchs praktisch in der elterlichen Alfa Romeo- und Citroen-Werkstatt auf. „Michael hat schon als Kind an Autos und Motorrädern gebastelt. Er ist quasi mit dem Schraubenschlüssel auf die Welt gekommen. Ausprobiert hat er alles, in der Theorie – und auch in der Praxis“, sagt seine Familie. Dass gerüchteweise auch eine Kreidler Florett RS auf deutlich über Tempo 100 frisiert worden war – ist in jedem Fall längst verjährt. „Mit Michael konnte man durchaus Kämpfe ausfechten. Aber egal mit wem man redet, jeder bestätigt, dass er ein begnadeter Techniker war. Er hat in ein paar Stunden fertiggebracht, wofür andere Tage gebraucht haben. Sein Gespür und seine Fähigkeiten könnte man mit dem Satz beschreiben: ´Um besondere Motorräder zu bauen, muss man ein besonderer Mensch sein´“, sagt Albert Bartsch. Er ist Rennkuh-Fan der ersten Stunde und besitzt mittlerweile schon die vierte Maschine.

Vor seiner Zeit als Motorrad-Tuner hat sich Michael Welsch um die Veredelung von Autos gekümmert, vor allem Audi und BMW. Unter „Welsch Spezial“ hat er sich in der Szene einen guten Ruf erarbeitet. Insbesondere Tuningfelgen dieses Namens haben es zu großer Bekanntheit gebracht. 2004 gründete er dann die Boxermanufaktur. Die Rennkuh war geboren. Die von ihm favorisierten BMW GS-Serienmodelle sehen ab Werk weniger nach Florett und mehr nach Zweihänder aus. Mit seinen durchdachten Modifikationen bewies Michael aber, dass die BMW im Rennkuh-Trimm sehr wohl auch zu gestrecktem Galopp willens und in der Lage ist (ein kundiger Reiter natürlich vorausgesetzt). Neben verschärften Serienmodellen hatte er auch reinrassige Racer im Programm. Mit Erfolg, wie zahlreiche Rennteilnahmen belegen, etwa beim Fischereihafenrennen in Bremerhaven oder dem Flugplatzrennen in Walldürn. Dabei hatte die Boxermanufaktur sowohl auf Messen als auch bei Rennen einen professionellen Außenauftritt, mit stringenter Corporate Identity, einem eigenen Transporter und Ausstellungsmotorrädern zum Anschauen und Ausprobieren. Anekdote am Rande: „Auf dem Fischereihafenrennen wurde Michael einmal gefragt, wie denn die Vorbereitung einer Rennkuh aufs Rennen ausschaue. Die Antwort: Wir schrauben das Nummernschild ab“, erzählt Peter Wahl, ein Motorrad-Blogger und enger Vertrauter Michael Welschs. Keine Koketterie, wie viele Top-Platzierungen belegen. Und ein ähnlicher Beitrag zur Legendenbildung wie bei Porsche, als die Stuttgarter Sportwagenschmiede 2010 mit einem straßenzugelassenen GT3 RS zum 24-Stunden-Rennen auf der legendären Nürburgring Nordschleife antrat.

Motor, Auspuff, Fahrwerk, Leichtbau, Aerodynamik und neue Rad-Reifen-Kombinationen (sogar mit Ducati-Felgen!), das waren die hardwareseitigen Zutaten. Optionale Retro-Bauteile, LED-Scheinwerfer und schwarze Pulverbeschichtungen statt Chrom die optischen. Mit anderen Worten: Weniger Bling, mehr Bumms! Und eine absolute Besonderheit: Rennkuh-Modelle konnten auf die Fahrerstatur angepasst werden. Böse Zungen (vermutlich Reiskocher-Fans...) behaupten, der Spruch „Wie der Herr, so das Gescherr“ träfe auch auf die GS-Modelle und ihre Fahrer zu. Michael Welsch hatte diese Marktlücke erkannt und die Rennkuh-Rahmen individuell angepasst. Das Ergebnis: Auch kleinere Cowboys konnten sich z.B. an der Ampel mit beiden Beinen erden. Mithin eine perfekte Integration des Menschen in seine Maschine – und ein weiterer Beweis für den Genius des Tüftlers. Nicht selten übrigens hatte Michael Welsch schneller (bzw. überhaupt) Umbau- und Zubehörlösungen parat als andere Firmen oder sogar der Hersteller selbst.

Und nun? „Wir wünschen uns, dass sich jemand zur Weiterführung der Marke Rennkuh findet. Das Konzept soll als Ganzes erhalten bleiben. Wir wollen keinen Garagenverkauf“, sagt die Familie. Das heißt: „Ein Interessent muss BMW-affin sein und soll sich mit der Rennkuh-Philosophie identifizieren können.“ Das alles könne natürlich unabhängig vom Stammsitz in Wörth am Main geschehen. Schließlich stamme ja auch der Kunden- und Fan-Kreis aus vielen europäischen Ländern, wie etwa Österreich, der Schweiz und England. Neben der Marke an sich mit einem gut eingeführten Internetshop sind auch der komplette Warenbestand (gut 400 Teile), vier Komplettmotorräder (derzeit wegen einer neuen Fahrgestellnummer noch ohne Zulassung), zwei angefangene Projekte und die Werkstattausrüstung inklusive eines Motorrad-Leistungsprüfstands im Angebot. Zudem hat Michael Welsch mit der Auspuff-Schmiede Bodis aus Reutlingen Abgasanlagen und Krümmer für die BMW-Boxer 1150, R1100 und R1200 entwickelt, die exklusiv über die Rennkuh/Boxermanufaktur vertrieben wurden.

Was ebenfalls auf die Marke „Rennkuh“ einzahlt und dem neuen Interessenten den (Re-)Start erleichtert: die immer ausgebuchten Kunden-Motorradreisen auf Sardinien, die Michael Welsch seit über neun Jahren akribisch geplant hat.

Mit dem Tode Michael Welschs endet eine Ära. Und eine neue könnte beginnen. Nicht einfach retro, sondern als die konsequente Weiterentwicklung einer tollen Basis. Ganz im Geist der Rennkuh.



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